Referat im Themengebiet Strafrecht im Rahmen eines Studiums der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Fulda.
Je weiter wir in die Geschichte zurückgehen, desto unzureichender wird die Pflege der Kinder, die Fürsorge für sie und desto größter die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder getötet, ausgesetzt, geschlagen, gequält und sexuell missbraucht werden. (Lloyd de Mause)
Kinder waren im Laufe der Geschichte immer wieder Misshandlungen ausgesetzt, deren Ausmaß zeitspezifische Gemeinsamkeiten und Veränderungen erkennen lassen. Mord, Ritualopfer, Aussetzung, Verstümmlung, Verkauf, harte Züchtigung und die Ausnutzung der kindlichen Arbeitskraft bis zum gesundheitlichen Ruin – dies sind nur einige der Misshandlungsformen, die von Historikern bereits seit Anfang des Jahrhunderts dokumentiert wurden.
Geschichte
Geburtenkontrolle durch Kindesmord
Der Kindesmord – die Tötung neugeborener Kinder mit ausdrücklicher oder stillschweigender Billigung der Eltern und der sozialen Umwelt – wird von Historikern als eine Form der Geburtenkontrolle angesehen, die nicht nur im Altertum allenthalben praktiziert wurde, vor allem dort, wo Methoden der Empfängnisverhütung oder Abtreibung unbekannt waren. Den Hintergrund bildeten meist Überlebensnot oder doch sehr bedrängte ökonomische Verhältnisse. Allerdings töteten auch reiche Eltern Kinder, die sie nicht haben wollten.
Die Tötung von Säuglingen nach der Geburt galt bis in die ersten christlichen Jahrhunderte hinein nicht als etwas Unrechtes. Ein Kind wurde so lange nicht als „Mensch“ angesehen, wie nicht bestimmte Zeremonien vollzogen waren, die seine Aufnahme in die Familie und die menschliche Gemeinschaft zum Ausdruck brachten.
- Ägyptische Amme musste beten, dass die Seele den Körper in Besitz nimmt
- Der babylonische Vater blies dem Kind seinen Geist ein und gab ihm einen Namen.
- In Athen bekam das Kind seinen Namen am fünften Lebenstag. (bis dahin konnte Kind getötet werden)
Getötet wurden schwache u. missgebildete Kinder, häufiger Mädchen als Jungen
- Das römische Zwölftafelgesetz verbot es, missgebildete Kinder aufzuziehen. Später durfte in Rom kein Kind getötet werden, bevor es drei Jahre alt war.
- Männliche Kinder waren aufzuziehen (militärische Gesichtspunkte im Hintergrund?)
- Schließlich wurde das Gesetzt, dass die Tötung von Kindern erlaubte, ganz aufgehoben (unter Kaiser Hadrian)
- „patria potestas in pietate debet, non in atrocitate consistere“ („Die väterliche Gewalt soll in Fürsorge, nicht in Gewalttätigkeiten bestehen“)
In späteren Zeiten scheint sich der Kindermord im Grenzbereich von „Wollen, vergessen und Ungeschicklichkeit“ abgespielt zu haben. Schon im europäischen Mittelalter und weit darüber hinaus bis ins 18. , 19. Jahrhundert wird berichtet, dass viele Kinder dadurch starben, dass sie von ihren ‚Eltern mit denen sie das Bett teilten, im Schlaf erdrückt und erstickt wurden. Andere Kinder wurden von Ammen getötet, die teils dafür bezahlt wurden, teils aber auch mit zu vielen Kindern sichtlich überfordert waren, so dass allgemein bekannt war, dass Kinder, für die sie nicht sorgen konnten oder für die kein Unterhalt gezahlt wurde, getötet wurden.
Kinderopfer und Magie
Viele Religionen des Altertums verlangten Kinderopfer. Kinder wurden Göttern geopfert für Fruchtbarkeitsriten, gute Ernten, Wohlstand. Teilweise wurde auch in die Fundamente wichtiger öffentlicher Bauwerke, „Lebendiges“ eingemauert. Dazu nahm man auch kleine Kinder – so bei den Kanaanitern, in Indien oder in Deutschland bis ins 16. Jahrhundert.
Nichteheliche Kinder
Uneheliche Kinder sind in Europa erst mit dem wachsenden Einfluss der Kirche besonderer Gefährdung ausgesetzt worden. Die Mütter traf eine „Kirchenbuße“, d.h. sie mussten sich einer „schimpflichen Zeremonie in der Kirche vor versammelter Gemeinde unterwerfen. Seit dem wurden uneheliche Kinder immer häufiger von ihren Müttern aus sozialer Angst und Existenznot beseitigt. Die preußische Gesetzgebung sah nicht nur drakonische Strafen vor für die Verheimlichung der Schwangerschaft oder Geburt (drei Monate Zuchthausarbeit), für Abtreibung, Vernachlässigung oder Tötung des Neugeborenen (Strafe des Schwertes), sondern versuchte auch, die beiden Quellen des Kindermordes zu verstopfen. Der Schwängerer musste die Kosten der Geburt und den vollen Unterhalt des Kindes aufbringen. Um den entehrenden Strafen entgegen zu wirken, musste der Verführer, das Mädchen, soweit es auf ein Eheversprechen vertraut hatte, heiraten.
Verstümmlung
Kinder wurden auch verstümmelt zum Betteln. Ein verstümmeltes Kind erregt mehr Mitleid bei den Menschen und dies wirkte sich positiv auf das Betteln aus.
Gegenwart
Definition
Mit Kindesmisshandlung in Familien sind einmal jene situativen physischen und psychischen Gewalthandlungen gegen Kinder gemeint, die entweder körperliche Verletzungen oder sogar den Tod zu Folge haben oder/und im Kinde existenzbedrohende Angstgefühle hervorrufen; von „familiengeschichtlicher Kindesmisshandlung sprechen wir dann, wenn die Eltern dem Kind dauerhaft eher ablehnend gegenüberstehen und damit ein Familienklima erzeugen, in dem sich das Kind nicht mehr menschenwürdig entfalten kann. Kindesvernachlässigung gilt als eine weitere Form der Kindesmisshandlung; auch sie kann den Tod von Kindern, z.B. durch Verhungern, zur Folge haben. Zwar ist die psychische Vernachlässigung die weitaus häufigste Form der Kindesvernachlässigung, allerdings oftmals unmittelbar kaum sichtbar.
Sexueller Missbrauch ist immer dann gegeben, wenn ein Mädchen oder Junge von einem Erwachsenen oder älteren Jugendlichen als Objekt der eigenen sexuellen Bedürfnisse benutzt wird (Enders)
Der sexuelle Missbrauch von Kindern in Familien stellt ein besonderes Problem dar, da hier die Dunkelziffer überaus groß ist. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen insbesondere aus Angst, den Familienverband und –status zu gefährden, schweigen. Die psychischen Folgewirkungen (Langzeitfolgen) sind in der Regel erheblich. Sieht man von den sogenannten eindeutigen Fällen ab, ist es meist schwierig, sexuelle Kindesmisshandlung im Frühstadium zu erkennen und so zu definieren, dass sich die gewünschte elterliche Liebe und Zuneigung von missbräuchlichem Handeln abgrenzen lässt.
Wie es zu Kindesmisshandlungen kommen kann
Oft stellen die Eltern überhöhte Erwartungen und Anforderungen, denen das Kind dann nicht entspricht und nicht entsprechen kann. Das kann die Unzufriedenheit über das Geschlecht des Kindes, über sein Aussehen oder einer körperlichen Eigenschaft sein.
Manchmal soll das Kind auch eine Funktion übernehmen, der es nicht gewachsen ist, etwa eine zerrüttete Beziehung kitten.
Auch erfährt das Kind oft die Gewalt, die den Eltern selbst angetan wurde. Sie entschuldigen dies dann manchmal auch mit dieser Aussage: „Immer mal eine ordentliche Abreibung hat mir schließlich auch nicht geschadet.“
Es gibt aber auch bestimmte Gruppen von Kindern, die besonders gefährdet und die unter misshandelten Kindern vielfach zu finden sind:
Missgebildet geborene Kinder mit körperlichen Behinderungen aber besonders mit Hirnschäden. Hier spielt die Enttäuschung der Eltern eine große Rolle.
Frühgeborene: Neben der größeren Rate hirngeschädigter und sich verzögert entwickelnder Kinder spielt hier vor allem die verminderte Kontaktaufnahme der Frühgeborenen in den ersten Lebenswochen die entscheidende Rolle. Hinzu kommt noch die vorhergehende Trennung durch die oft notwendigen Klinikbehandlungen.
Kinder mit minimalen zentralnervösen Behinderungen. Hierbei handelt es sich um nicht offensichtlich behinderte Kinder. Diskrete Hirnschäden können meist erst nach sehr exakten Untersuchungsmethoden aufgedeckt werden. Die Eltern sind, da diese Kinder sich unruhig und überaktiv Verhalten und sich nicht altersentsprechend entwickeln, eine ständige Belastung.
Wie verhalten sich misshandelte Kinder?
Misshandelte Kinder haben ihren Eltern gegenüber oft zerrissenen Gefühle. Einerseits haben sie Angst und empfinden Hass oder feindliche Gefühle ihren Eltern gegenüber, andererseits lieben sie diese aber auch. Sie befinden sich innerlich in einem Konflikt und sind sogar bereit, sich selbst die Schuld an der Misshandlung zu geben.
Viele der misshandelten Kinder sind verängstigt, ziehen sich zurück und sind passiv in ihrem Verhalten. Sie sind außergewöhnlich folgsam und lassen alles über sich ergehen, um nicht den Ärger der Eltern oder anderer Erwachsenen auf sich zu ziehen. Das Unterdrücken ihrer Gefühlsregungen ist ihre Art mit beängstigenden Situationen fertig zu werden. Jede Reaktion der Eltern und deren Erwartungen werden erfasst und beobachtet, um diesen gerecht zu werden.
Früherkennung und Prävention von Kindesmisshandlungen
Früherkennung ist nicht das rechtzeitige Erkennen von bereits geschehenen Misshandlungen, sondern das frühzeitige Erkennen z.B. von Eltern-Kind-Beziehungen, die so stark belastet sind, dass eine Misshandlung vorhersehbar ist.
Es gibt bestimmte Risikofaktoren bei deren Vorliegen ein erhöhtes Misshandlungsrisiko besteht. Solche Risikofaktoren können sein:
Vorgeburtliche Risikofaktoren:
- es ist das erste Kind, Unerfahrenheit der Mutter
- sehr junge Mutter unter 20 Jahren
- schwere, komplikationsreiche Schwangerschaft
- ausgesprochen hohe Erwartungen bezüglich des Kindes
- Verleugnung der Schwangerschaft durch die Mutter
- unzureichend materielle Voraussetzungen für das erwartete Kind
- ungewolltes Kind
Risikofaktoren um die Geburt herum
- schwere, schmerzhafte Geburt
- Enttäuschung der Eltern über ein „falsches Geschlecht“ des Kindes
- missgebildet geborenes Kind
- Frühgeborene, die behandelt werden müssen und so von der Mutter getrennt sind
- Trennung nach der Geburt (z.B. Krankheit der Mutter)
Risikofaktoren nach der Geburt
- missgebildetes Kind
- unruhiges „Schreikind“
- Einnässen, Einkoten bei Kindern
- Kinder mit vorübergehenden Heimaufenthalten
Wenn nun mehrere dieser Faktoren zutreffen kann man den Eltern spezielle Hilfe anbieten, aber ohne Kontrolle auszuüben. Dazu können Hausbesuche oder Kurse über Kindererziehung gehören.
Die Eltern sollten intensiv über Kinderpflege, die Entwicklung eines Kindes und die Schwierigkeiten, die auftreten können, informiert werden. Auch könnte die Ermutigung des Vaters, bei der Geburt dabei zu sein, hilfreich wirken.
Außerdem ist es wichtig einen engen Kontakt zwischen Mutter und Kind von der Geburt an zu erhalten. Dies gilt gerade auch für Eltern eines Frühgeborenen oder auf der Intensivstation liegenden Kindes. Der Zutritt zu den jeweiligen Stationen sollte auf jeden Fall für die Eltern erlaubt sein.
Statistik Kindesmissbrauch in Deutschland
In Deutschland wurden nach Angaben des Bundeskriminalamtes Wiesbaden 1995 insgesamt 1675 Fälle von körperlichen Misshandlungen, 16013 Fälle sexuellen Missbrauchs und 29 Kindestötungen offiziell registriert.
Nach Expertenschätzungen liegt die tatsächliche Zahl verübter Kindesmisshandlungen jedoch bis zu zehn Mal höher. Der Deutsche Kinderschutzbund geht davon aus, dass „über 10% aller Kinder in Deutschland schweren körperlichen Züchtigungen ausgesetzt sind“ , das heißt ca. 1,2 Millionen aller Kinder bis zu 14 Jahren bzw. 1,5 Millionen der Kinder bis zu 18 Jahren.
Leider gibt es bislang kaum Möglichkeiten für misshandelte Kinder und Jugendliche selbst Schutz und Hilfe zu suchen (Kinderschutz), sonst käme die „Dunkelziffer“ eher ans Licht.
Allgemein für Kindesmisshandlung gilt, dass die Dunkelziffer enorm hoch ist. Den jährlichen etwa 30 000 erfassen Kindesmisshandlungen steht eine Dunkelziffer von über ca. 500 000 gegenüber.
Alter der Opfer und Beziehung zum Täter:
Untersuchung von Mende/Kirsch
0 – 4 Jahre
63,16% – Eltern
5, 26% – Nachbarn
10,53% – Fremde
21,05% – Keine Angaben
5 – 10 Jahre
21,88% – Eltern
21,88% – Nachbarn
53,13% – Fremde
3,13% – Keine Angaben
11 – 15 Jahre
38,46% – Eltern
18,46% – Nachbarn
27,69% – Fremde
15,39% – Keine Angaben
>15 Jahre
28% – Eltern
16% – Nachbarn
56% – Fremde
0% – Keine Angaben
Geschlecht der Opfer:
In der eigenen Untersuchung der Darmstädter Ermittlungsakten sind eindeutig die Jungen mit 61,6% zu 38,4% dominierend. Die Altersverteilung zum Geschlecht ergab, dass sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen die älteren Kinder als Opfer von Misshandlungen überwogen. Wobei dies bei Jungen mit 71,2% zu den Mädchen 51,8% wesentlich deutlicher war.
0 – 4 Jahre
11,5% – Jungen
16,6% – Mädchen
5 – 10 Jahre
17,2% – Jungen
31,5% – Mädchen
11 – 15 Jahre
47,1% – Jungen
44,4% – Mädchen
>15 Jahre
24,1% – Jungen
7,4% – Mädchen
Paragraphen im StGB die zutreffen können
§ 176 – Sexueller Missbrauch von Kindern
§ 176a – Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
§ 176b – Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge
§ 223 – Körperverletzung
§ 225 – Misshandlung von Schutzbefohlenen
Quellenverzeichnis
Fachlexikon der sozialen Arbeit: 1997 (4. Auflage)
Kindesmisshandlung: Erkennen und Helfen, 1979
Kindesmisshandlung und Kindesrecht: Gisela Zenz, 1979 (1. Auflage)
Opferschutz bei Kindesmisshandlungen: Eine kriminalpolitische Herausforderung; Thomas W. Stumpf, 1995
Schüler – Duden, Psychologie: 1996 (2. Auflage)
Strafgesetzbuch: 2002 (38. Auflage)
Wörterbuch Soziale Arbeit: (3. Auflage)
Hallo,
aus welcher Quellen stammen diese Daten? :
Alter der Opfer und Beziehung zum Täter:
Untersuchung von Mende/Kirsch
Mit freundlichen Grüßen
Lisa Klapproth