Politikwissenschaft

Parteien in den USA – mehr als Demokraten und Republikaner?

Das US-Zweiparteiensystem und seine Grenzen

Die politische Landschaft der Vereinigten Staaten wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu vollständig von zwei Parteien dominiert: den Demokraten und den Republikanern. Dieses sogenannte Zweiparteiensystem ist tief in der politischen Kultur und den institutionellen Rahmenbedingungen des Landes verankert. Dabei spielt nicht nur das Wahlsystem eine zentrale Rolle, sondern auch strukturelle und finanzielle Barrieren, die es neuen politischen Kräften erschweren, Einfluss zu gewinnen. Doch in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft mehren sich Forderungen nach mehr politischen Alternativen. Jüngste Entwicklungen, wie die Ankündigung von Elon Musk, möglicherweise eine eigene Partei – die „America Party“ – zu gründen, verleihen dieser Debatte neue Dynamik.

Die klassischen Drittparteien in den USA

Trotz der Dominanz der beiden großen Parteien existieren in den USA zahlreiche sogenannte Drittparteien, die teils eine lange Geschichte aufweisen. Die bekanntesten unter ihnen sind:

  • Libertarian Party: Seit 1971 aktiv, setzt sich die Libertarian Party für individuelle Freiheit, die Minimierung staatlicher Eingriffe und wirtschaftlichen Liberalismus ein. Sie ist regelmäßig bei Präsidentschaftswahlen vertreten und zählt zu den wenigen Drittparteien, die in allen 50 Bundesstaaten Zugang zum Wahlzettel hatten.
  • Green Party: Die Grünen betonen ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und basisdemokratische Prinzipien. Ihre bekannteste Figur ist Ralph Nader, der 2000 bei der Präsidentschaftswahl antrat und dabei Stimmen erhielt, die möglicherweise den Wahlausgang zugunsten von George W. Bush beeinflussten.
  • Constitution Party: Diese Partei setzt sich für eine konservative, christlich-fundamentale Auslegung der US-Verfassung ein. Ihr Einfluss ist begrenzt, sie ist vor allem im ländlichen Raum aktiv.

Weitere kleinere Parteien wie die Reform Party (gegründet von Ross Perot), die Socialist Party USA oder die American Solidarity Party sind zwar präsent, bleiben jedoch zumeist auf kommunale oder symbolische Kandidaturen beschränkt.

Ballot Access – die Hürde zum Wahlzettel

Ein zentrales Problem für Drittparteien in den USA ist der sogenannte „Ballot Access“, also der Zugang zum Wahlzettel. Die Voraussetzungen hierfür variieren stark von Bundesstaat zu Bundesstaat. Während große Parteien automatisch gelistet sind, müssen neue oder kleine Parteien aufwendige und kostspielige Verfahren durchlaufen. In einigen Staaten sind Zehntausende Unterstützungsunterschriften erforderlich. In Georgia beispielsweise müssen unabhängige Kandidaten für einen landesweiten Posten rund 60.000 Unterschriften sammeln – innerhalb kurzer Fristen und unter strengen Formvorgaben.

Charles Wheelan, Professor für Public Policy an der Dartmouth University, beschreibt das System als „eine bewusste Barriere gegen politische Vielfalt.“ Er ergänzt: „Das amerikanische Wahlsystem bevorzugt klare Mehrheiten. Pluralität wird strukturell unterdrückt.“

Aktuelle Akteure jenseits der Big Two

Trotz der hohen Hürden entstehen immer wieder neue Initiativen, die das politische System herausfordern. Eine der bekanntesten ist die Forward Party, gegründet 2022 von Andrew Yang, einem früheren demokratischen Präsidentschaftsbewerber. Ziel der Bewegung ist es, parteiübergreifende Lösungen zu fördern und Reformen wie Ranked Choice Voting voranzutreiben. In mehreren Bundesstaaten ist die Forward Party bereits offiziell registriert.

Ein weiteres Beispiel ist die No Labels-Bewegung, die seit 2010 existiert. Sie versteht sich als moderate Alternative zu den etablierten Parteien und setzt sich für Kompromissfähigkeit in der Politik ein. In Arizona ist sie als offizielle Partei anerkannt und plant laut Medienberichten eine „Unity Ticket“-Präsidentschaftskandidatur für 2028.

2024 wurde die Cascade Party of Washington gegründet, mit prominenter Unterstützung des ehemaligen Nirvana-Bassisten Krist Novoselic. Sie propagiert einen dezentralisierten Politikansatz, Bürgerbeteiligung und Wahlrechtsreformen. Auch die American Solidarity Party, christlich-sozial ausgerichtet, findet insbesondere unter jüngeren religiösen Wähler:innen Zuspruch.

Elon Musk und die Idee einer „America Party“

Für Schlagzeilen sorgte im Juni 2025 die Drohung von Elon Musk, eine eigene Partei zu gründen: die „America Party“. Auslöser war eine Auseinandersetzung mit Donald Trump über dessen Gesetzesinitiative „One Big Beautiful Bill“, ein massives Infrastrukturpaket, das Musk als „fiskalischen Wahnsinn“ bezeichnete. Auf X (ehemals Twitter) schrieb er: „This is fiscal madness – the swamp never drained, it flooded. America deserves better.“

Die politische Kommentatorin Ana Navarro kommentierte auf CNN: „Das ist keine Parteigründung im klassischen Sinne, sondern ein Machtspiel. Musk testet die Reaktionen – sowohl der Politik als auch der Öffentlichkeit.“

Trump reagierte mit Spott: Auf seiner Plattform Truth Social nannte er die „America Party“ ein „Ketamin-Projekt“ und warnte Musk vor Konsequenzen für dessen Firmen Tesla und SpaceX, sollten Subventionen gekürzt werden.

Laut t-online und dem Wall Street Journal analysieren Juristen bereits, ob Musks Partei rechtzeitig für 2026 zugelassen werden könnte. Die Herausforderung liegt nicht nur im organisatorischen Aufwand, sondern auch in der politischen Glaubwürdigkeit. Kritiker werfen Musk vor, politische Impulse als Geschäftsstrategie zu nutzen. Befürworter hingegen sehen in ihm einen unbequemen Innovator, der frische Ideen einbringt.

Rolle und Wirkung der Drittparteien

Auch wenn Drittparteien selten Wahlen gewinnen, können sie erheblichen Einfluss auf den politischen Diskurs nehmen. Der sogenannte „Spoiler-Effekt“ – das Abziehen von Stimmen von einem der großen Kandidaten – wurde in der Vergangenheit mehrfach diskutiert. Ralph Nader gilt vielen als mitverantwortlich für George W. Bushs Wahlsieg 2000. Ross Perot erhielt 1992 rund 19 Prozent der Stimmen – ein Achtungserfolg, wenngleich er keinen einzigen Bundesstaat gewann.

Jesse Ventura gelang 1999 ein historischer Erfolg: Als Mitglied der Reform Party wurde er zum Gouverneur von Minnesota gewählt. Auch der frühere Senator Joe Lieberman gewann 2006 als unabhängiger Kandidat in Connecticut. Diese Beispiele zeigen, dass punktuelle Erfolge möglich sind – insbesondere, wenn starke Persönlichkeiten auf strukturelle Schwächen im Parteiensystem hinweisen können.

„Die große Wirkung der Drittparteien liegt in ihrer Funktion als Katalysator“, erklärt Politikwissenschaftlerin Jill Lepore von der Harvard University. „Sie zwingen die großen Parteien, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen – sei es Umwelt, Sozialpolitik oder Wahlrechtsreform.“

Strukturelle Reformen als Türöffner?

Mehrere Staaten experimentieren mit alternativen Wahlsystemen, um politische Vielfalt zu fördern. Das bekannteste Beispiel ist das Ranked Choice Voting (RCV), bei dem Wähler:innen mehrere Kandidat:innen in einer Präferenzreihenfolge wählen. RCV wurde u. a. in Maine und New York City eingeführt und soll die Spaltung der Stimmen verringern.

Ein weiterer Reformansatz ist das sogenannte „Fusion Voting“, bei dem Kandidaten von mehreren Parteien nominiert werden können. In New York wurde dieses Modell erfolgreich genutzt, etwa durch die Working Families Party. Auch die Einführung von Jungle Primaries – wie in Kalifornien oder Louisiana – verändert das Kräfteverhältnis und begünstigt parteiunabhängige Kandidaturen.

Der Wunsch nach Alternativen wächst

Obwohl das US-Zweiparteiensystem tief verankert ist, wächst die Unzufriedenheit mit der bestehenden Polarisierung. Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2024 wünschen sich 58 Prozent der Amerikaner:innen eine dritte große politische Kraft. In Zeiten globaler Krisen, sozialer Ungleichheit und digitaler Disruption suchen viele Menschen nach neuen politischen Antworten.

Bewegungen wie die Forward Party, No Labels oder sogar Musks America Party spiegeln diesen Wunsch nach Alternativen wider. Ihre Chancen auf Wahlerfolge sind fraglich, doch sie könnten entscheidend dazu beitragen, den Debattenraum zu erweitern und langfristige Reformen anzustoßen.

Wie Elon Musk in einem Interview mit TIME sagte: „Wenn das System nur zwei kaputte Optionen bietet, ist es Zeit für eine dritte. Selbst wenn sie scheitert – sie zwingt die anderen zur Kurskorrektur.“

Ob diese Korrektur gelingt, wird nicht allein in sozialen Medien entschieden – sondern an der Wahlurne, im Dialog und durch institutionellen Wandel.

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